Es ist kein Geheimnis, dass gerade das Neukundenmarketing im E-Commerce zum einen sehr teuer und aufwendig ist und zum anderen den größten Teil des Marketingbudgets der Unternehmen auffrisst. Ich habe schon in anderen Beiträgen erwähnt, dass hier ein Ungleichgewicht zum Bestandskundenmarketing herrscht, deshalb möchte ich das nicht genauer erläutern. Vielmehr bin ich in der aktuellen Heftausgabe der t3n auf ein paar bemerkenswerte Aussagen von Gary Vaynerchuck gestoßen, wie man die Neukundengewinnung mit Eins-zu-eins-Marketing attraktiver und effektiver gestalten könnte. Seine Idee: Warum nicht einfach Produkte verschenken, statt sie zu bewerben?
Social Media Guru mit gutem Gespür
Gary Vaynerchuk ist erfolgreicher Unternehmer und gilt als Social Media Guru. Er übernahm 1998 das stationäre Weingeschäft seines Vaters und macht daraus binnen weniger Jahre ein 50-Millionen-Dollar-Unternehmen. Heute berät er mit seiner Firma Vayner Media große Konzerne in Sachen Social Media und hat selbst 980.000 Fans auf Facebook, 1,3 Mio Follower auf Twitter etc. Was mich daran fasziniert, ist sein Gespür für neue Ideen und Innovationen und die Fähigkeit diese auch zu nutzen. So hat Gary als einer der ersten Snapchat für sich entdeckt und schon 2013 das große Potenzial der Plattform erkannt. Heute gibt es kaum einen Blog aus der Branche, der nicht das Thema Snapchat im Marketing behandelt hätte. Es hat ja nur drei Jahre gedauert.
Weniger Werbung und dafür mehr Geschenke?
Besonders interessant finde ich seine Meinung zum Marketing. Wenn es nach Gary ginge, sollte jedes Unternehmen auf Eins-zu-eins-Marketing setzen. Und er geht sogar noch einen Schritt weiter. Auf die Frage, was er machen würde, wenn er in der Situation eines Unternehmens wäre, antwortete er:
„Ich würde kein Produkt vermarkten. Ich wurde einfach jeder Person ein Produkt schicken.“
Statt Unsummen fürs Marketing aufzuwenden, sollte man das Produkt einfach jedem potenziellen Nutzer zukommen lassen. Ein radikaler Ansatz und wie er selbst sagt, ein unheimlicher Gedanke. Aber er ist überzeugt, dass es funktionieren könnte. Aber er merkt an, dass viele Unternehmen das Eins-zu-eins-Marketing nicht praktizieren wollen. Produkte zu verschenken, wird dann wohl für die meisten keine Option sein. Aber ich finde, dass es dieser Gedanke wert ist, dass man sich mit ihm beschäftigt.
Nachhaltige Emotionen durch Verschenken
Das beste Marketing- oder Produktvideo wird nicht den gleichen Effekt haben, wie das Produkt selbst auszuprobieren. Emotionen lassen sich über Texte, Bilder und Videos zwar wecken, aber wie nachhaltig sind diese Gefühle im Vergleich zu einer direkten Erfahrung, wenn man beispielsweise ein neues Müsli schmecken oder ein neues Parfum an sich selbst riechen kann? Die meisten Menschen freuen sich, wenn sie etwas ohne Bedingung geschenkt bekommen. Unbewusst wird diese nette Geste aber mit der Bedingung verknüpft, dass man sich revanchieren müsste. Man nennt dieses Prinzip Reziprozität, was ein uraltes Verhaltensmuster darstellt. Viele Nutzer werden sich unbewusst verpflichtet fühlen, etwas zurückzugeben, auch wenn das vielleicht nur in Form von positiven Emotionen sein wird. Die Verbraucher werden die Brand intensiver wahrnehmen, was sich langfristig auszahlen wird, sofern das Produkt überzeugen kann.
Nicht für jedes Produkt geeignet
Bei Produkten mit kurzen Lebenszyklen wie beispielsweise Lebensmitteln, Tiernahrung, Kleidung, Accessoires oder Beautyprodukten etc. klingt dieses Konzept meines Erachtens sehr vielversprechend. Eigentlich geradezu wie gemacht für diese Branchen. Klar, es hört sich nach großem finanziellem Aufwand an, aber dieser wäre definitiv effektiver eingesetzt als bei einem TV-Werbespot, da sich hier nicht nur gezielt potenzielle Kunden ansprechen, sondern auch tatsächlich erreichen lassen. Bei hochpreisigen Artikeln mit langer Lebensdauer bin ich da etwas skeptischer und wage zu bezweifeln, ob sich das umsetzen ließe. Schließlich kann ich nicht jedem eine Motorsäge oder einen Fernseher schicken. Trotzdem finde ich den Ansatz absolut erstrebenswert. Kleine Geschenke wie Zubehör würden meiner Meinung nach auch den Zweck erfüllen, denn es geht vor allem auch um die Geste.
Warum also nicht neue Wege beschreiten?
Es wird in Zukunft immer mehr darauf ankommen, überkommene Strukturen aufzubrechen und neue Wege zu finden, wie man den Kunden erreicht. Auch Marketing und Werbung müssen sich dahingehend hinterfragen – sich vielleicht auch neu erfinden und sich aus ihrer Komfortzone herauswagen, was sicherlich einige Bauchschmerzen bei Entscheidern hervorrufen wird. Vielleicht muss man aber auch „nur“ alte aber bewährte Praktiken des Handels aufgreifen und in das digitale Zeitalter transformieren, um auf diesem Wege wieder direkter mit dem Kunden zu interagieren. Die Produkte gezielt zu verschenken, könnte eine Möglichkeit sein, sich nachhaltig in den Köpfen der Kunden zu verankern. Dabei geht es nicht nur um das Produkt selbst, das der Nutzer intensiv testen kann, sondern auch um die Geste an sich. Gesten kommen heutzutage etwas zu kurz, dabei reicht es oft auch nur, Danke zu sagen. Social Media wäre dabei ein hervorragendes Hilfsmittel.
„Nichts ersetzt einen Handschlag, ein Zwinkern oder Engagement.“
Vielleicht stößt Gary Vaynerchuk mit seinen Meinungen auf taube Ohren. Aber seine Erfolgsgeschichte und seine zahlreichen Follower und Abonnenten über die verschiedenen Plattformen hinweg haben gezeigt, dass er sich durchaus auf seine Intuition und sein Gespür verlassen kann. Jedenfalls kann man sich an ihm ein Beispiel nehmen, dass es eben nicht nur den Kunden, sondern den Menschen zu erreichen gilt!
(Bildquelle: igorstevanovic/ Shutterstock)
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