Ende September 2016 soll es soweit sein. Dann eröffnet die Allgäuer Zeitung den Online Marktplatz Kauf im Allgäu, um laut eigener Aussage eine optimale Präsenz der heimischen Geschäfte im Netz zu haben und die Kaufkraft in der Region zu halten. Kein neuer, aber ein löblicher Ansatz. Immerhin stehen viele lokale Geschäfte vor erheblichen Schwierigkeiten. Ob das wiederum nur am Onlinehandel liegt, wage ich etwas zu bezweifeln, denn zu oft könnte man in den Geschäften auch die qualifizierte Beratung bemängeln. Warum sollte ich also dann dort überhaupt noch einkaufen? Dass viele Verbraucher, gerade in ländlichen Gebieten, ihre regionalen Geschäfte unterstützen wollen, halte ich für durchaus realistisch. Ich würde mich da auch dazuzählen. Aber das bedeutet nun mal auch mehr zeitlichen Aufwand. Dazu wäre ich ja durchaus bereit, wenn man zuvor sicherstellen könnte, dass das Objekt der Begierde auch im Laden vorrätig ist. Das ist halt leider meist nicht der Fall. Dieser Missstand könnte durchaus die Chance für eine solche Plattform sein.
Kauf im Allgäu initiiert von der Allgäuer Zeitung
Online-City Wuppertal, Mönchengladbach bei eBay, Mein-Heilbronn-Shop – die Liste der lokalen Online Marktplätze ist mittlerweile schon etwas länger. Und dann gibt es da auch noch Locafox, Buy Local etc. Ab September wird man dann auch Kauf im Allgäu dazu zählen können. Hier sollen regionale Händler aus dem Allgäu die Chance erhalten, sich eine Onlinepräsenz auch ohne eigene Webseite oder Online Shop aufzubauen. Laut den Angaben der Allgäuer Zeitung wäre das auch bitter nötig, denn nur die Hälfte aller schwäbischen Einzelhändler sei im Web vertreten. Deutschlandweit sind es sogar nur ein Drittel aller Händler. Wir befinden uns also immer noch in einer digitalen Steinzeit, was das betrifft. Dass die Händler in Zukunft digital präsent sein müssen, steht außer Frage, denn ein Großteil der Verbraucher informiert sich zumindest online, bevor sie im Geschäft kaufen. Diese Informationen sollten lokale Händler bereitstellen.
Profitieren vom RoPo
Diese Entwicklung, dass sich die Verbraucher vor dem eigentlichen Kauf online informieren, um dann in einem Laden zu kaufen, ist allgemein als RoPo-Effekt bekannt (Research Online, Purchase Offline). Das passiert auch umgekehrt, allerdings etwas seltener. Laut einer Bitkom Studie aus dem letzten Jahr sind es ungefähr 61% der Verbraucher, die sich regelmäßig oder manchmal online informieren und dann im Geschäft kaufen. Die Möglichkeit den Artikel anzufassen und auszuprobieren sowie ihn gleich mitzunehmen, sind für Dreiviertel der Verbraucher dabei die wichtigsten Kriterien einen Laden zu besuchen.
Aus eigener Erfahrung kann ich diesen Effekt bestätigen. Ich schaue auch zuerst online und suche dann oft trotzdem noch ein Geschäft auf. Das hängt aber auch von bestimmten Produkten ab. Aber meistens lande ich dann doch in den Filialen von größeren Unternehmen, weil ich eben zuvor auf deren Online Shop unterwegs war, auch wenn man bei einigen immer noch nicht die Warenbestände vor Ort angezeigt bekommt. Aber es ist zumindest wahrscheinlicher, dass Filialen diesen bestimmten Artikel auf Lager haben und ich mich nicht umsonst auf den Weg mache. Hier liegt nun auch der Ansatzpunkt von Kauf-im-Allgäu, wie das Marketing-Video exemplarisch am fiktiven Händler Klaus erklärt.
Was müsste die Plattform können
Die Plattform bietet drei Lizenzen mit moderaten Preismodellen und dem inklusiven Service, bei der Ersteinrichtung auch die Foto- und Texterstellung zu übernehmen. Ein durchaus sinnvolles Angebot, denn gerade das wichtige Content Marketing/ Management sollte man online unerfahrenen Händlern nicht selbst überlassen – gerade wenn es um eine gute Informationsaufbereitung geht. Bisher gibt es nur ein Muster, wie diese Händlerseite aussehen wird, daher lassen sich über die Usability und das Design wohl nur unzureichende Aussagen treffen. Dafür müsste man wohl abwarten, bis die Plattform live ist. Auch wenn eine solche regionale Plattform eine andere Zielgruppe anspricht, sind gewisse Hygienefaktoren des Onlineshoppings zu beachten. Responsive ist die Seite schon einmal und auch um die Suchmaschinenoptimierung will sich Kauf im Allgäu kümmern. Es wird sich zeigen, wie das im Detail umgesetzt wird.
Vorrangig soll es aber um die Online-Präsentation der Produkte gehen und um Services wie Click & Collect. Hierbei bin ich mir allerdings nicht ganz schlüssig, wie ich die Produktfelder verstehen soll. Bei der Einsteiger-Lizenz wird nichts erwähnt. Mit der Standard- und der Premium-Lizenz würde man dagegen 8 bzw. 24 Produktfelder auf der Händlerseite zur Verfügung haben. Ein großes Angebot im Shop gehört zu einem der Hauptargumente, warum Verbraucher online kaufen. 8 bis 24 Produkte lassen sich noch händisch pflegen und ich glaube, dass die Plattform darauf hinaus möchte, denn die Händler bekommen ein Handout mit Anleitungen zur Pflege und Eingabe der Daten. Aber mit 8 oder mit 24 Produkten zur Auswahl werden wohl nur spezielle Angebote abgebildet werden können, statt einem größeren Sortiment. Wenn man dagegen die Händler bei Online-City Wuppertal zum Vergleich heranzieht, dann bieten die meisten mehrere Hundert Produkte an. Da müssten dann schon viele Händler zusammen kommen, damit sich die Kauf-im-Allgäu als Anlaufstelle lohnt.
Das Problem der fehlenden digitalen WaWi
Das Problem liegt dabei aber wohl viel tiefer. Laut einer Umfrage von Locafox besitzen 70-75% der kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland keine digitale Warenwirtschaft, geschweige denn ein Product Information Management System. Für kleine lokale Händler bedeutet damit die Abbildung und händische Pflege eines größeren Sortiments einen enormen Mehraufwand, den sich mit Sicherheit nicht jeder leisten kann. Locafox hat dafür das Locafox POS Kassensystem mit integrierter Warenwirtschaft entwickelt, das an den Locafox Marktplatz und andere Online Marktplätze angeschlossen werden kann, um so die Zugangsbarrieren in die digitale Zeit für kleine Händler zu senken. Dieses System wäre womöglich auch eine Option für die Allgäuer Händler. Gerade auch um genug von Ihnen zu überzeugen, diesen Marktplatz auch zu verwenden.
Hier sieht Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein noch weitere Probleme, die er in einem Interview mit der Wiwo im letzten Jahr aufzeigte.
„Regionale Markplätze schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden, sind aber häufig offensichtlich nur Potemkinsche Dörfer, die mit viel Naivität von Städten, Gemeinden und vielfach von Regionalzeitungen initiiert werden.“
Die Gründung von Marktplätzen gehöre dabei zu einem der schwierigsten Vorhaben im Web, das vor allem Erfahrung und Reichweite voraussetzt. Das Projekt Kauf-im-Allgäu könnte also durchaus daran scheitern, dass sich zu wenige Händler beteiligen und dadurch die Substanz der Plattform fehlt oder dass man nicht genug Reichweite erzielen kann. Man vertraut wohl sehr auf den Lokalpatriotismus der allgäuer Verbraucher.
Wie viel Nachhaltigkeit steckt dahinter
Regionale Online Marktplätze sind nicht die Lösungen auf die Probleme der stationären Geschäfte, können aber durchaus ein Weg sein, zumindest mehr Aufmerksamkeit zu erhalten und mehr Kunden in die Geschäfte zu locken. Ich halte es für sinnvoller als sich einen eigenen und teuren Online Shop leisten zu wollen. Der Mehraufwand wäre in jeder Hinsicht enorm. Das sollte man sich gut überlegen, weil es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr zum Erfolg führen kann. Es wird in Zukunft schon schwer genug für die kleineren und mittleren Händler, die bereits online sind.
Es wäre auch ein falscher Ansatz zu glauben, dass man mit einem solchen regionalen Marktplatz den großen Playern die Stirn bieten könne. Es kann eigentlich nur noch darum gehen, dass man auch im Web präsent ist und damit nicht noch mehr Kunden wegbrechen. Vor allem aber muss man seine eigenen Stärken und Kernkompetenzen zum Einsatz bringen. Es gibt genug Menschen, die immer noch in Geschäften einkaufen wollen, aber sich nicht umsonst auf den Weg machen wollen – auch wenn das Geschäft nicht weit entfernt ist. Ich muss den Verbrauchern also online anzeigen können, welche Produkte ich auf Lager habe und muss Ihnen zudem eine fachmännische Beratung anbieten können, die sie in keinem Online Shop bekommen. Am letzten Punkt müssten einige allerdings noch arbeiten!
(Bildquelle: dirkr/Shutterstock)
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