Industrie 4.0 ist in aller Munde, da sich die Art und Weise der Herstellung von Produkten in einem weitreichenden Änderungsprozess befindet. Es wird nicht die einzige Veränderung sein, denn auch der digitale Handel wird mit den Auswirkungen von Industrie 4.0 konfrontiert und wird sich dementsprechend mit verändern müssen. Je früher man dies auf dem Schirm hat desto besser. Ein Beispiel soll die Auswirkungen zeigen, die eine veränderte Produktion auf den Kaufprozess haben kann.
Der Begriff Industrie 4.0 wurde 2013 auf der Hannover Messe geprägt. Darunter versteht man die vierte industrielle Revolution. Nach der Mechanisierung, Elektrifizierung und Digitalisierung, erfolgt nun die Vernetzung in Form der Smart Factory. Zentral ist dabei, dass das Internet Einzug in die Fertigung hält. Neben den Computern, die schon im Rahmen der dritten Revolution in der Fertigung etabliert wurden, halten nun auch sogenannte Cyber-Physical Systems, vernetzte, autonome Produkte und Entscheidungsprozesse, Einzug. Ein wichtiger Aspekt dabei ist auch das Konzept des personalisierten Produktes, wobei durch intelligente Produktion, Planung und Preiskalkulation auch Produkte mit der Losgröße (Auflage) 1 wirtschaftlich hergestellt werden können.
Ein möglicher Kaufprozess in der Industrie 4.0
Was erwartet uns also im Rahmen der 4. Revolution? Zur Veranschaulichung versetzten wir uns in die Lage eines Maschinenbedieners bei der Produktion GmbH. Während wir uns gerade in einer kurzen Zigarettenpause befinden vibriert unser Smartphone. Eine der Maschinen, die wir bedienen meldet, dass ein Verschleißteil in zwei Tagen so abgenutzt sein wird, dass die Ausbringungsmenge der Maschine reduziert wird oder es gar zu Ausfällen kommen kann. Nach unserer Pause begeben wir uns an besagte Maschine, über eine Benutzeroberfläche erhalten wir erneut eine Meldung. Wir haben die Möglichkeit direkt per Touch die Nachbestellung zu bestätigen. Alternativ hätten wir natürlich auch das automatische Nachbestellen aktivieren können. Die Bestellung geht unmittelbar an den Hersteller. Dabei werden exakte Produktdaten, die über einen im 3D-Druck hergestellten QR-Code direkt auf dem Produkt gespeichert wurden und vor dem Einbau gescannt wurden, an den Hersteller übermittelt. Durch Predictive Ordering hat der Hersteller auf Basis ein großen Menge gesammelter Daten über das Produkt und einem daraus abgeleiteten Zeitraum in dem der kritische Verschleiß erreicht wird, bereits die Produktionsmittel für das Ersatzteil auf Lager.
Heute schon im Einsatz
Das Predictive Ordering findet bereits heute in ähnlicher Art und Weise statt. Wie in unserem Beispiel dienen dabei große Mengen an gesammelten Daten (Big Data) als Basis für die Prognose. Amazon analysiert zum Beispiel Daten zu Bestellungen und Surfverhalten, ordnet diesen Gebieten zu und prognostiziert anhand dieser Daten, dass am Mittwoch den 31.05.2017 drei Personen im Gebiet Karlsruhe ein bestimmtes Produkt bestellen werden. Die Produkte werden dementsprechend auf gut Glück gen Karlsruhe versandt und bei eingehender Bestellung kurzer Hand mit einem Etikett versehen. Die Lieferung erfolgt somit nahezu unmittelbar.
Die Produktion unseres Ersatzteils kann also sofort beginnen, wobei wir über unser Smartphone, stets über den Status informiert bleiben. Das Werkstück wird zu Beginn der Fertigung wieder mit einem QR-Code versehen. Die darauf enthaltenen Produktdaten dienen nicht nur dem Kunden, sondern kommunizieren auch mit den Maschinen in der Fertigung. Durch das abscannen weiß die Maschine genau, wie sie das Werkstück zu bearbeiten hat. Durch diese intelligente Art der Produktion können auch kleine Losgrößen wirtschaftlich produziert werden. Gleichzeitig erfüllen die so entstehenden Produkte spezifische Anforderungen des Kunden, der das Produkt, in unserem Beispiel bei der Anschaffung der Maschine, nach seinen Bedürfnissen konfiguriert hat. Das Ersatzteil wird einen Tag später geliefert, vor dem Ablauf der zwei Tage eingebaut und über unser Smartphone nehmen wir erneut den Betrieb auf, ganz ohne lange Ausfallzeiten.
Welche Auswirkungen hätte dieser Kaufprozess auf den E-Commerce?
In diesem Beispiel würde die Maschine als kleiner Shop dienen. Das Sortiment besteht aus den eingebauten Teilen, wobei die Hersteller voneinander abweichen können. Diese Entwicklung beschränkt sich nicht nur auf die Industrie 4.0. Durch das Internet der Dinge kann so gut wie jedes Objekt zum Point-of-Sale werden. Im Gegensatz zu unserem Beispiel ist dafür gar keine Benutzeroberfläche nötig. Über QR-Code, NFC oder RFID können Objekte, für wenig Geld, mit dem Smartphone oder einem Wearable als Mittler, zum Kaufauslöser werden. So wird zum Beispiel der Klopapierhalter mit einem Button versehen, über den direkt das bevorzugte Klopapier nachbestellt werden kann.
Eine solche Entwicklung geht einher mit veränderten Anforderungen an E-Commerce. Nur wer seine Inhalte flexibel über eine rapide wachsende Anzahl von Kanälen verbreiten kann, kann neue Potenziale nutzen. Durch APIs und Software wie Produktinformationsmanagement-Systeme können die Inhalte zentral verwaltet werden und mit geringem Aufwand über verschiedenste heterogene Kanäle ausgespielt werden.
Effizientere Produktionsmöglichkeiten
Neben der (teilweisen) Substitution von „klassischen“ B2B Online Shops, müssen auch Anforderungen hinsichtlich der Konfigurierbarkeit von Produkten berücksichtigt werden. Durch die smarte Produktion, physisch wie auch in der Planung, können auch Produkte mit der Losgröße 1 wirtschaftlich hergestellt werden. Durch Technologien wie 3D-Druckern können sogar Produkte in einmaliger Auflage entstehen. Diese Art der Anpassbarkeit muss gegebenenfalls auch in Online Shops durch komplexe Konfiguratoren (teilweise sogar ohne vorgedachte Konfigurationsmöglichkeiten, vielmehr eine Simulation auf Basis einer kundenindividuellen Konfiguration) dargestellt werden. Die große Anzahl an Varianten steigen auch die Anforderungen bezüglich des Produktinformationsmanagements.
E-Commerce als Treiber von Industrie 4.0; Industrie 4.0 als Treiber von E-Commerce
Das würde wohl auch neue Potenziale im B2B E-Commerce freisetzen können. Komplexe Produkte im Industriegütermarkt könnten anstatt auf klassischen Vertriebswegen, online abgesetzt werden. Zudem kann die Kundengruppe eines Unternehmens, deren Bedürfnissen zuvor nicht entsprochen werden konnte, erweitert werden. Durch die Individualisierung und resultierendem Mehrwert für die Kunden, können auch höhere Preise erzielt werden, die vielleicht sogar die zusätzlichen Kosten für kleinere Losgrößen übersteigen können. Der Online Einkauf passt dabei optimal in das Konzept, da der Kauf von verhältnismäßig komplexen Produkten, ohne langwierige Beratung von Vertriebsmitarbeitern zusätzlich zur Wirtschaftlichkeit von kleinen Losgrößen beiträgt.
(Titelbildquelle: Zapp2Photo / Shutterstock)
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