Digitales Storytelling – die Kunst der guten Geschichte

von | Jan 4, 2016 | E-Commerce Marketing, Usability | 1 Kommentar

Produktseiten sollen die Verbraucher über bestimmte Produkte informieren. Viel zu oft werden die User aber regelrecht von einer Informationsflut erschlagen. Die typischen Produktdetailseiten sind meistens zu textlastig, zeigen neutrale Bilder des Artikels und schaffen es auf diese Weise nicht, Emotionen beim Betrachter zu erzeugen. Doch gerade das wäre nötig, damit die Information auch langfristig im Gedächtnis gespeichert wird und der Shop erlebbar wird. Statt zu texten, heißt es, die Geschichte des Produkts und der Marke zu erzählen – Storytelling. Im Idealfall wird diese Geschichte vom Unternehmen und den Kunden fortgeschrieben.

Seit Jahrtausenden finden Menschen und Kulturen ihre Identität über tradierte Geschichten. Erzählungen von Heldentaten und der gemeinsamen Herkunft definieren gemeinsame Werte und Leitbilder, die Orientierung schaffen. Die Bibel ist da ein perfektes Beispiel. Eine Ansammlung von sinnstiftenden Geschichten, die es bis heute geschafft hat, über zwei Milliarden Menschen zu Anhängern zu formen. Welches Unternehmen hätte nicht gerne zwei Milliarden „Fans“? Dabei ist Religion nichts anderes als ein Unternehmen, das ein bestimmtes Produkt verkauft. Im Fall der Bibel heißt das Produkt „Gott“. Verpackt in Geschichten und Erzählungen wird dieses Produkt erlebbar, erlernbar und erinnerbar.

Menschen suchen bei aller Individualität nach Orientierung und Führung. Das trifft heute genauso zu wie damals vor 3000 Jahren, wenn auch mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen. Wir sind freier ins unserer Entscheidung, an was wir glauben, wem wir folgen und wie wir leben wollen. Die nächste Informationsquelle, die nächste Webseite oder der nächste Shop sind nur wenige Klicks entfernt. Wer es also nicht schafft, sich das Interesse und die Aufmerksamkeit der User zu sichern, wird gleich wieder vergessen oder erst gar nicht wahrgenommen. Stattdessen wird Content ohne Inhalt geliefert, ohne echten Mehrwert. Produkttexte, die sich niemand durchliest, weil zum Beispiel jeder weiß, dass Waschmaschinen zum Wäschewaschen da sind oder Laufschuhe zum Marathonlaufen. Dafür brauche ich keine Produkttexte. Ein solcher Text generiert eventuell noch Aufmerksamkeit in den Suchmaschinen, aber für den Kunden ist er wertlos.

Teach! Don´t sell!

Der Ansatz muss sich ändern und er ist auch dabei sich zu ändern. Unternehmen und Marken müssen dem Wunsch nach Orientierung entgegenkommen; Werte und Leitlinien vorgeben und vorleben. „Be, where the learning happens!“ heißt eine der Kernbotschaften des amerikanischen Markenspezialisten Sasha Strauss. Durch mobile Endgeräte verschwindet das Internet zunehmend aus unserer Wahrnehmung. Wenn ich Informationen brauche, dann schaue ich eben schnell nach. Aber es verändert sich auch die Art wie wir uns selbst inszenieren. Wir sind sozusagen in einem konstanten Lern- und Selbstdarstellungsprozess und das überall und zu jedem Zeitpunkt. Wer verkaufen will, der muss die Kunden dort abholen, wo sie nach Information und Selbstausdruck suchen. Bei zunehmendem Konkurrenzdruck wird es in Zukunft entscheidend werden, seine Produkte in eine glaubhafte Story zu verpacken, an der die Kunden nicht nur teilhaben können, sondern die sie mitfühlen und an der sie selbst mitschreiben können.

Halte es einfach! Halte es kurz! Wecke Emotionen!

Eine gute Geschichte braucht keine langen Reden, aber klare Botschaften. Ein perfektes Beispiel dafür ist Ernest Hemingways Kurzgeschichte, die nur aus einem Satz besteht:

For sale: baby shoes, never worn.

Die Geschichte enthält alles, was gesagt werden muss und weckt beim Leser tiefes Mitgefühl. Online Shops können sich daran ein Beispiel nehmen. Sie haben außerdem die Möglichkeit, ihre Produkte mit wenig Text aber mit emotionalen Bildern, Animationen und Videos zu inszenieren. Visuelles Storytelling ist viel effizienter als Text, denn Bilder werden 60.000 Mal schneller vom Gehirn verarbeitet und es lassen sich viel schneller Emotionen erzeugen. Das menschliche Gehirn speichert Informationen ab, indem es sie mit Emotionen verknüpft. Zum einen bleibt man so im Gedächtnis zum anderen beeinflussen sie unbewusst unsere Kaufentscheidung. In der Regel läuft das so ab, dass wir erst eine unbewusste Entscheidung zu einem Produkt treffen und dann vermeintlich rationale Argumente sammeln, um unsere Entscheidung zu untermauern und zu rechtfertigen.

Schafft man es also schon mit den ersten Eindrücken, den Kunden zu überzeugen, dann spielen alle weiteren Faktoren eine eher untergeordnete Rolle. Wenn ich zum Beispiel einen Hammer verkaufen möchte, dann kann ich dessen Eigenschaften in eine Geschichte, vielleicht auch einem Anleitungsvideo verpacken. Zum Beispiel wie Vater und Sohn zusammen ein Vogelhaus oder irgendwas Ausgefallenes bauen. So lassen sich vielleicht Erinnerungen wecken oder Inspirationen für Familienprojekte finden, die mit dem Unternehmen und der Marke verknüpft werden.

Anker setzen! Spannung aufbauen!

Ein Trend, der sich immer häufiger findet ist Scrollytelling. Es wird ein Produkt in einer Geschichte inszeniert, die der User per Scrollen steuert. Dafür braucht es einen interessanten Anker gleich zu Beginn. Ein aussagekräftiges Bild oder eine Animation, die für Aufmerksamkeit sorgt, die Kernbotschaft enthält und den Wunsch erzeugt, mehr zu erfahren. Diesen Anker kann ich dann in der Geschichte immer wieder subtil einfließen lassen, um die Kernaussage zu untermauern. Das kann zum Beispiel in einer Reihe von hochwertigen und Produktbildern umgesetzt werden, die das Produkt im Einsatz zeigen, wie das beispielsweise www.hardgraft.com oder www.apple.com praktizieren. Häufig findet man auch Parallax Scrolling. Die Pseudo-3D-Technik arbeitet auf verschiedenen Ebenen. Die hinteren Ebenen bewegen sich langsamer als die vorderen, sodass eine Illusion von Tiefe entsteht. Damit erhöht sich vor allem auch der Faktor Spaß auf der Seite. Wichtig bei allen Varianten ist es, die Inszenierung in sinnvolle Abschnitte zu gliedern, wie eben auch eine Geschichte in Kapitel, damit der User die Informationen häppchenweise in sogenannten „chunks“ aufnehmen kann und nicht überfordert wird.

Fazit

Das Ziel eines Unternehmens muss sein, eine kanalunabhängige Wechselbeziehung zwischen Marke und Konsument aufzubauen. Werden Shopbesucher dauerhaft mit gutinszenierten Inhalten angesprochen, dann entwickeln sich die positiven Eindrücke zu positiven Emotionen, die unbewusst mit dem Shop und der Marke verknüpft werden. Storytelling ist ein Ur-Muster menschlicher Kommunikation und wird seit Jahrtausenden erfolgreich praktiziert. Die Kommunikationswege haben sich geändert, aber das Prinzip ist immer gleich geblieben: Eine Geschichte bleibt in Erinnerung.

Das Paradebeispiel für ein Unternehmen mit einer Story ist da natürlich Apple. Man sagt nicht umsonst, dass Apple keine Kunden hat sondern Jünger. Da wären wir wieder bei der Religion. Jünger oder Fans sind treuer als Kunden und identifizieren sich stärker mit dem Unternehmen. Man will einfach Teil der Apple-Story sein.

(Titelbildquelle: Everett Collection/Shutterstock)

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