André Morys im Interview – Thema „Psychologie + Daten = Wachstum“

von | Okt 11, 2017 | Conversion Optimierung, E-Commerce Forum Karlsruhe | 0 Kommentare

André Morys gehört zu den führenden Experten im Bereich Conversion Optimierung, ist Vorstand der Web Arts AG und betreibt seit vielen Jahren den Blog KonversionsKRAFT.de. Er wird am 9. November 2017 bereits zum zweiten Mal beim E-Commerce Forum Karlsruhe zu Gast sein. Auch ihm haben wir im Vorfeld des Forums ein paar Fragen zu seinem Vortragsthema „Psychologie + Daten = Wachstum“ gestellt. 

Hallo André, danke, dass du dir die Zeit für meine Fragen nimmst. Bei deinem Thema geht es um Psychologie, Daten und Wachstum. Vielleicht könntest du für uns kurz erläutern, wie du diese drei Begriffe zusammenbringst.

Das ist ganz einfach, sobald der Zusammenhang klar wird. Dazu muss ich den abstrakten Begriff „Wachstum“ dekonstruieren: Wachstum bedeutet, dass überdurchschnittlich mehr Kunden kaufen. Die Grundlage dafür ist das Verständnis über Kundenverhalten – mit diesem Verständnis sind Unternehmen in der Lage, das Kundenverhalten zu beeinflussen. Daten helfen Unternehmen wiederum, dieses Verständnis zu automatisieren und damit besser zu skalieren und dadurch das Wachstum zu beschleunigen. Meine Definition von disruptivem Wachstum lautet: „Disruption bedeutet, das Konsumentenverhalten mit Hilfe von Daten besser zu verstehen und mit Hilfe von Technologie automatisiert zu verändern.“

Jeder, der Disruption mit Technologie gleich setzt, macht dabei einen großen Fehler. Ohne das Verständnis über Kundenbedarf, -wahrnehmung und -verhalten sind Daten und Technologie nutzlos.

Du warst ja bereits letztes Jahr im Mai bei uns zu Gast und hast da auch bereits über Psychologie referiert. Du hattest damals gemeint, dass die Wichtigkeit des Erzeugens von Emotionen und Empfindungen in Online Shops noch ziemlich unterschätzt wird und dass es sich dort am meisten lohnen würde, zu optimieren. Hat sich seither in Sachen Personalisierung grundsätzlich was geändert? Sind wir mittlerweile diesbezüglich im Onlinehandel ein Stückchen weiter gekommen?

Nein, leider nicht. Es versuchen immer noch unzählige Analysten und Data Scientists Muster in ihren Daten zu finden, ohne die Bedeutung zu kennen. Webdesigner machen Shops responsive und verstehen nicht, welche Auswirkungen das auf das Kundenerlebnis und wiederum auf das Verhalten hat. In der Zwischenzeit laufen User Researcher durch die Gegend und liefern tonnenweise „Customer Insights“ – leider völlig unbrauchbar. Ich könnte ewig so weiter machen. Das Problem an all dem: Es ist nicht grundsätzlich falsch – aber so lange die Disziplinen nicht miteinander verbunden sind, kommt nach dem „Garbage-In -> Garbage-Out“ Prinzip eben doch nur unterdurchschnittlicher Mist raus.

Eine schlechte Website wird responsiv gemacht eben nicht zur Wachstums-Maschine – sie wird eine schlechte responsive Website.

Jeder sammelt ja fleißig Daten, was aber auch vielen Verbrauchern durchaus Bedenken bereitet. Werden diese Daten deiner Meinung sinnvoll eingesetzt bzw. wie müssten Sie verarbeitet werden, damit es sich auch lohnt, dass sie gesammelt wurden?

Das ist genau der Trick – natürlich müssen sie sinnvoll verarbeitet und interpretiert werden, sonst bleiben die Erkenntnisse sehr oberflächlich. Bei uns arbeiten die Data Scientists sehr eng mit Psychologen zusammen und beschäftigen sich mit der Frage, welche Daten Rückschlüsse auf die Persönlichkeitspräferenzen von Kunden ermöglichen. Das klingt gefährlich und manipulativ, es ist aber nichts anderes als das, was jeder durchschnittliche Verkäufer im Media Markt tut, wenn man eine Beratung für einen Flachbild-TV sucht.

Ob diese Methodik bedenklich ist hängt von der Frage ab, wo man sie einsetzt. Deshalb haben wir bei konversionsKRAFT eine Ethik-Kommission, die sehr genau prüft, für welche Unternehmen wir arbeiten und für welche nicht.

Wie sieht es mit zu viel Personalisierung aus? Netflix wird ja überall gehypt aber ich persönlich habe das Gefühl, dass ich mit meinem Profil in einer Art Informationsblase gefangen bin. Wenn ich neue Filme und Serien suche, finde ich auf die Schnelle immer nur Gleiches oder Ähnliches. Besteht nicht die Gefahr, dass den Verbrauchern Scheuklappen aufgesetzt werden und sie nicht mehr kritisch differenzieren können?

Ja, die Filter-Bubble ist eine große Gefahr. Ich sehe bei Netflix aber vor allem das Problem schlechter Empfehlungen (Recommendations) – das ist nur ein Aspekt von Personalisierung. Netflix fehlt meiner Meinung nach genau die Erkenntnis auf der Meta-Ebene, von der ich eben sprach. Der Algorithmus ist viel zu einfach gedacht und liefert mit immer 97% Empfehlungen für Serien, die mich augenscheinlich schon nicht interessieren. Netflix macht das auf Basis des Verhaltens und nicht auf Basis dessen, was mit wirklich gefallen hat. Also kein Filter-Bubble Problem, sondern einfach eine schlechte Formel 🙂

Zurück zur Filter-Bubble: Was bei sozialen Netzwerken und politischen News gesellschaftlich gefährlich ist, können wir nicht direkt auf den E-Commerce übertragen. Hier ist eher ein inkonsistentes Kundenerlebnis problematisch, was daran liegt, dass die Online-Händler noch viel zu wenig in Cross-Device-Tracking investieren, um Nutzer über unterschiedliche Devices hinweg zu identifizieren. So kann es passieren, dass eine Listenseite auf dem iPad auf einmal ganz andere Ergebnisse liefert als auf dem Rechner.

Leider katapultieren uns solche Probleme im E-Commerce immer wieder in die Steinzeit zurück… es gibt also noch viel zu tun!

Herzlichen Dank für deine Antworten. Die machen auf jeden Fall Lust, mehr über die Thematik zu erfahren! Daher freue ich mich schon auf deine Präsentation. Wer auch beim E-Commerce Forum Karlsruhe XXL dabei sein möchte, um André Morys live zu erleben: Tickets für den 9. November gibt es unter

www.e-commerce-forum.de/xxl-forum

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