Die Veröffentlichung der Pressemitteilung am Montag, den 22. Mai, ließ eine gewaltige Bombe in der Shoptech Welt platzen. Die Beiträge überschlugen sich, das Thema wurde auf Twitter heiß diskutiert, denn die Meldung hat polarisiert und die E-Commerce Szene ordentlich durchgerüttelt: Adobe wird in Q3 das Shopsystem Magento für 1.68 Mrd. USD kaufen, um es in seine Adobe Experience Cloud aufzunehmen. Für die einen ein Grund zum Jubeln, bei anderen gingen die Alarmglocken an! Die Frage steht im Raum: Was passiert jetzt mit Magento und was wird aus dem Open Source Gedanken in einem Konzern, dass sich klar auf Cloud-Dienst fokussiert?
Für die meisten kam die Meldung als eine große Überraschung, aber rückblickend betrachtet hatte sich ein solcher Deal schon angekündigt. Adobe war bereits 2013 an einer Übernahme von Hybris interessiert, hatte aber gegenüber SAP das Nachsehen. Drei Jahre später übernahm Salesforce das Shopsystem Demandware, an dem Adobe auch Interesse angemeldet hatte. Mit Magento schließt Adobe jetzt die Lücke zu seinen Konkurrenten Salesforce und SAP und ergänzt sein Portfolio mit einer Commerce Lösung. Die Absichten von Adobe waren demnach nichts Neues. Mit Magento erweitert Adobe allerdings zusätzlich auch seinen Zugang auf die mittelgroßen Magento Händler und somit einem neuen Kundensegment abseits seines Enterprisegeschäfts, was für Adobe auch recht spannend werden könnte.
Und Magento?
Auf der Magento Imagine in Las Vegas gab Mark Lavelle 2016 damals zum einen den Launch der Magento Commerce Cloud und zum anderen die Übernahme von Magento (vorher bei Ebay) durch den US-Finanzinvestor Permira bekannt. Zum damaligen Betrag von 200 Mio. USD. In den folgenden zwei Jahren wurde ein extremer Wachstumskurs eingeschlagen und die Enterprise und Cloud Edition ordentlich gepusht, wozu auch die 250 Mio. USD Finanzspritze durch die chinesische Finanzgruppe Hillhouse Capital anfangs 2017 passt, mit dem einige neue Leute eingestellt werden konnten. Als Partner haben wir uns dabei hin und wieder die Frage gestellt, ob Magento damit nicht zunehmend seine ursprüngliche Identität, den Open Source Charakter verliert und damit auch die große Community vor den Kopf stößt.
Und nun 2018 stößt der Finanzinvestor Permira das Unternehmen mit ordentlichem Gewinn an Adobe ab. Im Nachhinein ist man immer schlauer, aber es konnte eigentlich nur eine Frage der Zeit sein, bis es zu ebendiesem Verkauf kommen musste. Und für Magento ist das wohl auch die bessere Entscheidung, dass sie sich jetzt von Permira lösen und bei Adobe anheuern können, denn beide Unternehmen passen auch einfach besser zusammen. Die codegetriebene und serviceorientierte Kultur von Magento entspricht eher der Kultur von Adobe und nicht dem salesgetriebenen Ansatz eines Finanzinvestors.
Was aber bedeutet das jetzt konkret für Magento und den Open Source Gedanken?
Natürlich wird Adobe die Cloud Variante von Magento pushen wollen und in ihre Adobe Experience Cloud integrieren. Dennoch glauben wir, dass Adobe den Wert dieser gigantischen Magento Community zu schätzen weiß und Magento die Möglichkeit gibt, weiterhin den Open Source Gedanken voranzutreiben. Zahlreiche Maßnahmen zur Stärkung der Community, die auf der Magento Imagine 2018 in Las Vegas vorgestellt wurden, wie beispielsweise die Einführung der Magento Association, sprechen für uns eine eindeutige Sprache, dass diese Richtung weiterverfolgt wird.
Auf der anderen Seite wird Magento durch die große Erfahrung und starke Fokussierung von Adobe auf das Enterprise-Segment einen ordentlichen Schub in Richtung Enterprise erhalten. Damit sollten Hybris und Demandware einen ernstzunehmenden Konkurrenten im Enterprise-Segment erhalten.
Magento, Adobe Magento oder Adobe Commerce Cloud? – Wie wird es heißen?
Über kurz oder lang sehen wir sicherlich die Eingliederung von Magento in eine Form von „Adobe Commerce Cloud“, gegebenenfalls mit einem Magento Kern. Die eigenständige Marke „Magento“ wird sehr wahrscheinlich dabei in den Hintergrund geraten. Wie das genau aussehen wird, lässt sich natürlich nur vermuten. Vieles könnte aber für ein „Adobe Magento“ sprechen. Es ist wahrscheinlich, dass sich Adobe da eher an dem erfolgreicheren Beispiel SAP Hybris orientieren wird und nicht an Demandware, das eben de facto vollends in der Salesforce Commerce Cloud aufgegangen ist und als Marke nicht mehr existiert. Dafür ist wohl die Magento Community zu groß und der Schritt zu radikal.
Für einige ist die Übernahme von Magento durch Adobe das Ende einer tragischen Odyssee, wie es beispielsweise Jochen Krisch ausdrückt. Für wiederum andere passen beide Unternehmen einfach nicht zusammen. Wir werten die Übernahme als ein positives Signal für Magento und sind überzeugt, dass Adobe mit dieser Investitionssumme ein langfristiges Interesse mit Magento verfolgt und das Shopsystem damit in ruhigeres Fahrwasser kommt bzw. einen „sichereren Hafen“ erreicht hat.
(Titelbildquelle: Screenshot theblog.adobe.com)
0 Kommentare